Meine Mandantschaft, eine NFS-Azubi, und ihr Kollegen, welcher Notfallsanitäter ist, wurden zur Einsatzmeldung "Synkope in der Schwangerschaft SSW 18" alarmiert. Der Lebensgefährte führte die Besatzung in das Wohnzimmer zu der Patientin und berichtete auf dem Weg, seine Freundin, die Patientin, sei in der 18. Schwangerschaftswoche und kurz kollabiert. Bei Ankunft im Wohnzimmer fanden sie die Patientin wach und orientiert sitzend auf einem Sessel vor. Da die Patientin auf Ansprache durch den Rettungsdienst adäquat reagierte, erfolgte eine Anamnese. Die Patientin und ihr Lebensgefährte gaben an, dass Sie in der 18. Woche schwanger sei und kurz kollabiert sei, sie habe kurz nicht adäquat reagiert, sei dann im Verlauf aber wieder zu sich gekommen.
Sie gaben außerdem an, dass die Patientin unter einem Glioblastom (bösartiger Hirntumor) gelitten habe, dies konnte jedoch operativ erfolgreich entfernt werden und die Chemotherapie sei ebenfalls erfolgreich abgeschlossen. Daraufhin wurde der Lebensgefährte gebeten, medizinische Unterlagen der Patientin herauszusuchen und dem Rettungsdienst vorzulegen. Der Lebensgefährte gab an, dass keinerlei Arztbriefe vorliegen würden. Es erfolgte die erneute Nachfrage, ob aktuell wirklich kein Krebs mehr vorliegen würde, dies wurde durch die Patientin und die Angehörigen bestätigt. Auch die Frage, ob die Patientin aktuell Medikamente einnehmen würde, wurde durch die Patientin verneint. Ebenfalls leide sie unter keinen weiteren Vorerkrankungen oder Allergien. Die Patientin gab an, nach der operativen Tumorresektion unter Schwindel zu leiden, dies sei aber bekannt und mehrfach ärztlich abgeklärt worden. Der Schwindel habe sich bei Absetzen des Notrufs durch den Partner aber nicht anders als sonst angefühlt. Im Verlauf gaben die Patientin und der Lebensgefährte an, dass sie für den nächsten Tag einen Termin zum Spätabort ihres Kindes vereinbart hätten und wollten wissen, ob sie diesen auch heute schon wahrnehmen könnten.
Die Patientin erläuterte ihre Gründe hierfür und wurde danach von der Rettungsdienstbesatzung gründlich untersucht. Es zeigten sich keinerlei Auffälligkeiten. Sie gab lediglich an, unter dem ihr bereits bekannten und seit Monaten bestehenden Schwindel zu leiden, dieser habe sich allerdings nicht verändert und sei auch nicht schlimmer als sonst. Zudem wäre der Schwindel mehrfach ärztlich abgeklärt worden. Bestehende und andauernde Schwindelsymptomatik nach Operationen des Gehirns sind nicht ungewöhnlich und durchaus plausibel.
Im Hinblick auf die körperliche Untersuchung ergab sich ein unauffälliges Gesamtbild der Patientin hinsichtlich eines akuten Notfallgeschehens. Nach Erhebung aller Vitalparameter und unter Berücksichtigung der Anamnese der Patientin und den Angehörigen stellte sich die geschilderte Notfallsituation, welche zur Alarmierung des Rettungsdienstes führte, als normale, wenn auch unangenehme, Symptome während der Schwangerschaft dar.
Während des Gesprächs kristallisierte sich immer mehr die enorme psychische Belastung der schwangeren Patientin bzgl. des geplanten Spätaborts heraus. Meine Mandantschaft bot daraufhin mehrfach an, die Patientin zur Abklärung des Kollaps in das eines der beiden nahegelegenen Krankenhäuser zu transportieren, beide Häuser verfügen über eine interdisziplinäre Notaufnahme und über eine Gynäkologie. Diesen Vorschlag lehnten die Patientin und der Lebensgefährte mehrfach ab und bestanden darauf, den Abort ihres Kindes heute in der ca. 40 km entfernten Klinik vornehmen zu lassen. Erneut schlug meine Mandantin einen Transport in die eine der beiden Kliniken vor, da diese sogar mit der Klinik zusammenarbeite, in der Morgen der Spätabort stattfinden soll und so eine Verlegung bzw. weitere Konsile so relativ unkompliziert seien. Man kommt überein, die Klinik, in der der Spätabort geplant ist, telefonisch zu kontaktieren, um zu klären, ob die Patientin heute vorstellig werden könne. Nach Rücksprache mit dem dortigen Arzt sei dies möglich.
Der Notfallsanitäter fragte daraufhin den Lebensgefährten, ob er seine Partnerin mit dem Auto selbst in die Klinik fahren könne. Da dies vom Lebensgefährten bejaht wurde, packte meine Mandantin mit der Patientin die Tasche für die Klinik. Die RTW Besatzung blieb vor Ort und unterstützte die Patientin zum Auto zu gehen. Dem Rettungsdienst gegenüber wurden sowohl eine erneute Tumorerkrankung, als auch der Abbruch einer laufenden Chemotherapie verschwiegen. Nach dem Gespräch mit der Klinik, die den Spätabort durchführen sollte und nach Rücksprache mit der Patientin und dem Lebensgefährten wurde der Konsens getroffen, dass die Patientin durch ihre Lebensgefährten selbstständig in die Klinik fahren könne. Dies war für den Lebensgefährten eine akzeptable Lösung, da zuvor eine Vorstellung in den beiden nahegelegenen Krankenhäusern mehrfach durch die Patientin und den Lebensgefährten abgelehnt wurde. Auf der Fahrt in die Klink soll die Patientin einen Krampfanfall erlitten haben und auch in der Klinik soll es umgehend erneut zu einem weiteren Krampfanfall gekommen sein. Daher erfolgte im Nachgang gegen die Rettungswagenbesatzung die Strafanzeige.
Da die Prüfungen zum Staatsexamen unmittelbar bevorstanden, wurde bereits bei der zuständigen Behörde eine Ausnahmegenehmigung beantragt, dass meine Mandantin zur Prüfung zugelassen wird. Denn bei einem laufenden Ermittlungsfahren darf ein Notfallsanitäter normalerweise nicht zur staatlichen Prüfung antreten. Die Behörde erteilt meiner Mandantin aufgrund einer ausführlichen Erklärung der Sach- und Rechtslage die Genehmigung zur Zulassung zum Staatsexamen. Jedoch war auch nach Ablegen der erfolgreichen Prüfungen das Verfahren leider immer noch nicht abgeschlossen, so dass ein erneuter Antrag auf Einzelfallprüfung zum Erteilen der Urkunde gestellt werden musste. Erst als der zuständigen Staatsanwältin erklärt wurde, dass meiner Mandantin durch ihre Nicht-Entscheidung einen finanziellen Nachteil erleidet und es zu klären gilt, wer diesen zu tragen hat, lag die Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO innerhalb kürzester Zeit in meinem Kanzleiräumen, so dass die Einzelfallprüfung zum Erteilen der Urkunde nicht erfolgen musste, da der Verfahrensabschluss rechtzeitig vorlag. Dadurch konnte meine Mandantin an der Examensfeier teilnehmen und ist heute als Notfallsanitäterin eingesetzt.
Das Verfahren konnte aufgrund der guten Dokumentation der Besatzung als auch der genauen Dokumentation in der Klinik gem. § 170 Abs. 2 StPO gegen meine Mandantschaft eingestellt werden. Im Aufnahmebericht der Neurologie wurde davon berichtet, die Patientin sei erst im Tagesverlauf neurologisch im Rahmen rezidivierender Krampfanfälle auffällig geworden, dies hätten die zuständigen Gynäkologen berichtet. Daraus ergibt sich, dass die Patientin in einem adäquaten Zustand in der Frauenklinik ankam. Wäre die Patientin hier bereits neurologisch auffällig gewesen, hätte sie das diensthabende ärztliche Personal umgehend innerklinisch weiterverlegt, da eine Versorgung von bewusstseinseingetrübten und/oder neurologisch auffälligen Patientinnen in der Frauenklinik nicht vorgesehen ist.
Grundsätzlich kann ein epileptischer Anfall nicht wie im Tatvorwurf behauptet durch den Rettungsdienst verhindert werden. Insbesondere nicht, wenn dieser aufgrund einer komplexen Tumorerkrankung mit Liquorabflussstörung erfolgt, von der der Rettungsdienst ausgeht, dass der Tumor nicht mehr bestand. Die geschilderte Notfallsituation hätte nur durch eine adäquate Chemotherapie, Bestrahlung, einen operativen Eingriff o.ä. verhindert werden können, da die Grunderkrankung, welche dem Rettungsdienst mehrfach verschwiegen wurde, ursächlich für den in der Klinik erfolgten Krampfanfall war. Im Rahmen der Untersuchung haben sich keinerlei Symptome gezeigt, die für einen Krampfanfall oder eine ähnliche Situation sprechen würden, weshalb mit Einverständnis der Patientin und des Lebensgefährten auf eine der Selbsttransport in die Klink vereinbart wurde. Die Patientin wegen des bevorstehenden Spätaborts ins Krankenhaus zu fahren, war nicht indiziert, zumal auch der sonstige Allgemeinzustand der Patientin keinen Anlass geboten hat, von einem lebensbedrohlichen Zustand auszugehen.“
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