Wie würde ich einen Rettungsdiensteinsatz dokumentieren, um maximale Rechtssicherheit im Rettungsdienst zu erhalten?

Aufgrund dieser Frage habe ich mir eine Vielzahl von Rettungsdienstprotokollen angeschaut und musste feststellen, dass offenbar bei der Erstellung dieser, viel Wert auf ein angesprochenes Layout und tolle Farben gelegt wurde, jedoch die meisten Protokolle meiner Meinung nach, wenig Platz für das Wesentliche lassen. Vorweg möchte ich aber sagen, dass es meiner Meinung nach keine Rolle spielt, ob die Dokumentation elektronisch oder herkömmlich mittels Stift und Papier durchgeführt wird. Ich bin der Meinung, dass Rettungsdiensteinsätze individuell sind und keiner dem anderen gleicht. Daher ist es mir auch nicht nachvollziehbar, wie man auf Textbausteine zurückgreifen kann, wenn man Rechtssicherheit im Rettungsdienst haben möchte. Hiermit meine ich bereits vorgefertigte Texte, die ich bei einer elektronischen Berichterfassung vordefiniert vorfinde und auswählen kann. Dies sind meist Kompromisse, so dass sie bei einer Vielzahl der Einsätze anwendbar sein sollen, jedoch nie zu 100% auf den einzelnen Einsatz gerade passen. Da ich die Auffassung vertrete, dass Kompromisse meist für jede Partei schlecht sind, möchte ich auf solche Textbausteine nicht weiter eingehen, da ich diese nicht verwenden würde. Wenn ich mir Einsatzprotokolle anschaue und durchlese, stelle ich mir immer wieder die Frage, ob man mit diesen Einsatzprotokollen und deren Inhalt, eine juristische Auseinandersetzung führen könnte und damit Rechtssicherheit im Rettungsdienst hätte. Daher möchte ich nun die Einsatzdokumentation Schritt für Schritt besprechen.

Die meisten Dokumentationssysteme teilen sich in vier Bereiche, nämlich in

1. Patienten- und Einsatzdaten
2. Notfallgeschehen, Ereignis, initialer Patientenstatus
3. Verlauf und Therapie
4. Patientenübergabe

Im ersten Bereich „Personalien und Einsatzdaten“ würde ich das Feld möglichst genau ausfüllen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Daten auch vorliegen, denn was ich nicht kenne, kann ich auch nicht dokumentieren. Auch wäre mir wichtig, den Einsatzort möglichst genau zu beschreiben. Es sollte hervorgehen, ob sich das Geschehen beim Patienten in der Küche, im Wohnzimmer oder auf der Toilette abgespielt hat. Auch sollte sich aus dem Protokoll ergeben, ob ich als RTW alleine oder ob ein Notarzt parallel mit alarmiert wurde bzw. später nachalarmiert wurde. Wenn der Notarzt nach dem RTW eingetroffen ist, muss dies auch mit der entsprechenden Uhrzeit vermerkt sein. Die Zeiten - Alarmzeit, S3, S4 etc – sollten natürlich mit den Zeiten der Leitstelle übereinstimmen. Aus meiner persönlichen Erfahrung jedoch, gleichen nur die wenigstens diese Zeiten mit der Leistelle ab. So dass bei einem Verfahren bereits an dieser Stelle die Frage auftreten wird, wieso hier unterschiedliche Zeiten notiert sind. Dies kann man meiner Meinung nach durch ein einfaches Abgleichen nach dem Einsatz mit der Leitstelle direkt umgehen. Im Leitstellensystem werden alle Zeiten automatisch im Einsatz hinterlegt. Nutzt man nun eine Armbanduhr, kann es hier schon zu Unterscheidungen kommen. Nutzt man noch eine dritte Uhr, beispielsweise die des RTW für die S3 Zeit, ergeben sich evtl. nochmals Differenzen. Dies erfordert im Fall einer juristischen Auseinandersetzung bereits die ersten Erklärungen, die ich für mich gerne im Vorfeld ausräumen würde, um eine Rechtssicherheit im Rettungsdienst zu haben. 

 

Beim zweiten Bereich – dem Notfallgeschehen, Ereignis, Vorfall – sollte aus meiner Sicht exakt dokumentiert werden, was ich vorgefunden habe. Ein einfaches Kopfplatzwunde aufschreiben, ist meiner Meinung nach nicht ausreichend. Ich würde hier möglichst ausführlich beschreiben, wie ich den Patienten vorgefunden habe, um Rechtssicherheit im Rettungsdienst zu erlangen. Ich möchte dir dies an einem Beispiel genauer erklären: Ich würde dokumentieren, „Patient auf dem Sofa sitzend mit Oberkörper erhöht vorgefunden; leichte Zyanosezeichen im Lippenbereich; klagt seit ca. 12:20 Uhr über Atemnot und Engegefühl in der Brust; Patient kann in vollständigen Sätzen sprechen, ohne diese aus Luftmangel unterbrechen zu müssen; Patient bewegte sich selbstlaufend bis zu unserem Eintreffen in der Wohnung; die Symptome begannen schlagartig und sind seit Einsetzen unverändert; Patient ist zu seiner Person sowie örtlich und zeitlich voll orientiert; die Ehefrau war die ganze Zeit mit Raum; Vorerkrankungen: Stenteinlage Juni 2017, seither in regelmäßiger hausärztlicher Versorgung; Dauermedikation: ASS – Einnahme: 1 - 0 – 0; regelmäßig und auch heute Morgen eingenommen“. Wenn man dies so notieren möchte, wird man schnell merken, dass die üblichen 3-5 Zeilen schnell aufgebraucht sind und hierfür nicht ausreichen, so dass ich im Zweifel ein weiteres Protokoll oder ein leeres Blatt zur Hand nehmen muss und später alle einzelnen Seiten zusammenheften muss, damit auch alles vollständig ist. Auch bei den Befunden und der Therapie kann ich nur raten, alles so genau wie möglich auszufüllen. Wichtig ist hier vor allem die Uhrzeit zu vermerken, wann der Patientenstatus erhoben wurde. Auch eine Arbeits- oder Verdachtsdiagnose sollte zwingend aus dem Protokoll hervorgehen, so dass man nachvollziehen kann, warum welche Maßnahmen eingeleitet wurden. Immer im Hinterkopf hätte ich, dass dieser Einsatz eventuell in mehreren Jahren auch noch exakt nachvollziehbar sein muss. Ich wäre mir fast sicher, dass ich bei einer rechtlichen Auseinandersetzung in einigen Jahren nicht mehr alle Details dieses Einsatzes parat haben werde, so dass ich mich auf mein Notfallprotokoll verlassen können muss. Auch mit dem Hintergrundwissen, dass Tonbänder der Leitstelle meist bei Klageeinreichung nicht mehr vorhanden oder verwertbar sind, da diese nach dem Bundesdatenschutzgesetz nach gewissen Zeiten gelöscht werden müssen, muss ich mich auf mich selbst verlassen.

In der Verlaufsbeschreibung muss meines Erachtens zwingend ersichtlich sein, wie sich der Zustand des Patienten verändert hat oder ob dieser gleichgeblieben ist. Dies ist besonders wichtig, wenn Maßnahmen getroffen wurden. Nur so kann später nachvollzogen werden, ob diese den gewünschten Erfolg mit sich gebracht haben oder eventuell eskaliert werden musste. Ich würde unbedingt darauf achten, dass möglichst viele Messwerte im Verlauf eingetragen sind. Es ist schwer zu argumentieren, dass ich bei einem Aufenthalt an der E-Stelle von beispielsweise 15 Minuten und einer Fahrzeit von 12 Minuten nur einmal Blutdruck gemessen habe und nur einen Pulswert eingetragen habe. Medikamentengabe mit Uhrzeit und Dosierung sind genauso wichtig zu dokumentieren wie eventuell nicht invasive Maßnahmen (Lagerung, Wärmeerhalt, etc.). Bei intravenösen Zugängen sollte man auch die Größe des Zugangs (bsp. G 18) sowie den Punktionsort (bsp. linker Handrücken) dokumentieren. Ich würde auf alle Fälle vor einer Maßnahme im Protokoll vermerken, was ich zuvor abgeklärt bzw. gecheckt habe, um Rechtssicherheit im Rettungsdienst zu erhalten. Liegen Allergien oder Unverträglichkeiten vor? Wenn ja welche? Kontraindikationen, Lage des iV-Zugangs wurde mittels Rücklaufprobe kontrolliert, usw. Dies alles und so genau wie möglich, würde ich im Protokoll vermerken.

Beim letzten Bereich -der Übergabe - ist es egal, ob der Patient an einen weiteren Rettungsdienstmitarbeiter, sprich eine andere Besatzung, an ein Krankenhaus, Altenheim oder an eine Arztpraxis übergeben wird. Eine Uhrzeit sowie der Name des Übernehmenden ist meiner Meinung nach unerlässlich. Auch würde ich hier nochmals den Patientenzustand ausführlich beschreiben. Ob dies in Form von Ankreuzfeldern oder Freitext geschieht, spielt kaum eine Rolle, solange die Angaben zum Patientenzustand detailliert genug sind, ist dir die Rechtssicherheit im Rettungsdienst so gut wie sicher. Ein Feld zu Wertsachen findet sich auf den meisten Protokollen vergebens. Ich würde jedoch genau notieren, dass beispielsweise die Krankenkassenkarte, die Armbanduhr, eine blaue Tasche und das Hörgerät beispielsweise an die Schwester Musterfrau von Station 1 übergeben wurden. Und so wäre ich auch hier bei späteren Rückfragen gleich im Vorfeld schon auf der sicheren Seite.

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